Fehlerkorrektur

Nr. 25-7 aktualisiert 2025-11-21 Lesedauer: min

Warum Fehler unvermeidlich sind

Quantencomputer versprechen gewaltige Rechenleistungen – doch ihr grösster Gegner steckt im System selbst: Fehler. Qubits sind extrem empfindlich, verlieren schnell ihre Kohärenz und reagieren auf kleinste Störungen. Ohne ausgeklügelte Fehlerkorrektur bleiben selbst die stärksten Quantenprozessoren unbrauchbar. Dieser Beitrag zeigt, warum Fehlerkorrektur der Schlüssel zur praktischen Nutzbarkeit ist und welche Ansätze heute verfolgt werden.

Bild: KI-generiert

Ein Qubit existiert in einem Zustand, der durch Überlagerung und Verschränkung geprägt ist. Diese Zustände sind empfindlich: thermische Effekte, elektromagnetische Felder, Defekte im Material oder selbst minimale Vibrationen können sie zerstören. Während klassische Bits nur zwischen 0 und 1 wechseln, driften Qubits kontinuierlich – sie «verrauschen». Zudem wirken Operationen auf Qubits oft nicht exakt genug. Ein einzelner ungenauer Laserimpuls oder eine leicht verstimmte Mikrowellenfrequenz genügt, um Fehler einzuschleusen. Die Folge: Schon nach wenigen Rechenschritten ist das Resultat wertlos, wenn nicht gleichzeitig korrigiert wird.

Fehlerkorrektur ohne Kopieren: Ein scheinbares Paradox

In der klassischen Informatik werden Daten redundant gespeichert oder mehrfach überprüft. Doch im Quantensystem verbietet das No-Cloning-Theorem, ein unbekanntes Qubit einfach zu kopieren. Wie also Redundanz schaffen?

Die Lösung ist ein Umweg: Man kodiert die Information eines logischen Qubits in vielen physikalischen Qubits. Diese Qubit-Verbünde bilden sogenannte Codes. Sie erlauben, Fehler zu erkennen, ohne den eigentlichen Quantenzustand direkt auszulesen. Das ist konzeptionell hochkomplex – aber essenziell für den Bau grosser Systeme.

Einer der vielversprechendsten Ansätze ist der Surface Code. Er nutzt eine zweidimensionale Anordnung von Qubits, bei der die Information gewissermassen in der Struktur der Fläche steckt.

Surface Codes haben zwei entscheidende Vorteile: Sie tolerieren relativ viele Fehler und lassen sich geometrisch gut skalieren. Der Nachteil: Ein logisches Qubit benötigt Hunderte bis Tausende physikalische Qubits. Für Unternehmen heisst das: Wirklich fehlerresistente Quantencomputer liegen erst dann in Reichweite, wenn die Hardware massiv wächst.

Bosonische Codes: Weniger Qubits, mehr Physik

Ein anderer Ansatz verwendet sogenannte bosonische Codes, bei denen ein Qubit in den Schwingungszustand eines Resonators codiert ist. Sie kommen mit weniger physikalischen Einheiten aus und nutzen die Physik des Systems gezielt aus.

Diese Methode ist besonders interessant für photonische und supraleitende Plattformen, da hier „harmonische“ Systeme entstehen, die sich gut für solche Codes eignen. Ihr Nachteil: Die Realisierung ist technisch höchst anspruchsvoll, und es fehlen noch grossskalige Experimente.

Warum Fehlertoleranz über den Durchbruch entscheidet

Neben der eigentlichen Fehlerkorrektur gewinnt ein zweiter Trend an Bedeutung: Fehlervermeidung. Geräte sollen so gebaut sein, dass Qubits möglichst selten gestört werden.

Dazu gehören bessere Materialien, präzisere Fertigungsprozesse, neue Kontrollmethoden und Architekturen wie „Topologische Qubits“, die Fehler physikalisch unterdrücken sollen. Microsoft investiert stark in diesen Ansatz – doch die praktischen Resultate sind noch offen. Erst wenn Quantencomputer über längere Zeiträume korrekte Ergebnisse liefern, werden reale Anwendungen möglich: komplexe Simulationen, Optimierungsprobleme, kryptografische Analysen.

Ohne Fehlertoleranz bleibt die Technologie ein Laborexperiment. Jede Roadmap der führenden Anbieter zeigt deshalb denselben Weg: erst mehr Qubits, dann bessere Kohärenz, dann Fehlerkorrektur auf Systemniveau.

Fehlerkorrektur ist kein Randthema, sondern der Dreh- und Angelpunkt des Quantencomputings. Wer verstehen will, wann echte Vorteile gegenüber klassischen Systemen entstehen, muss die Fortschritte bei Codes, Materialien und Stabilität im Blick behalten. Erst wenn „logische Qubits“ zuverlässig funktionieren, wird das Potenzial des Quantums wirklich greifbar.

Christian Bühlmann

Chefredaktor Computerworld

Christian Bühlmann ist Chefredaktor der Computerworld und engagiert sich in der IT-Branche seit mehr als 30 Jahren als Fachautor, Berater und Projektleiter mit den Herausforderungen von Unternehmen in der digitalen Welt.