Praxisanwendungen
Industrie unter Spannung: Wo Quantencomputing heute wirklich weiterhilft
Quantencomputing gilt als Hoffnungsträger für besonders harte Probleme der Industrie: komplexe Simulationen, Optimierungen über riesige Suchräume oder das präzise Modellieren chemischer Reaktionen. Doch zwischen Potenzial und praktischer Nutzbarkeit besteht ein grosser Unterschied. Dieser Beitrag zeigt anhand zentraler Branchen, wo aktuell geforscht wird, welche Pilotprojekte realistisch sind – und wo Quantenalgorithmen schon heute erste Mehrwerte liefern.
Generiert mit ChatGPT
Materialwissenschaft: Vom Molekül zur Marktreife
Die Simulation neuer Materialien ist eines der meistgenannten Anwendungsfelder. Klassische Computer scheitern an der exponentiellen Komplexität quantenmechanischer Systeme, weshalb Entwickler oft mit Näherungen arbeiten müssen.
Quantenverfahren wie der Variational Quantum Eigensolver (VQE) versprechen präzisere Modelle für Batterien, Halbleiter oder supraleitende Materialien. Unternehmen wie BASF, VW und Toyota testen bereits spezifische Molekülstrukturen auf Quantenprozessoren. Auch wenn die Ergebnisse noch nicht marktreif sind, entsteht wertvolles Know-how für künftige R&D-Pipelines.
Pharmaforschung: Schnellere Wege zu Wirkstoffen
Die Entwicklung neuer Medikamente ist teuer, langwierig und datenintensiv. Quantencomputer könnten bestimmte Schritte – etwa das Vorhersagen von Protein-Ligand-Wechselwirkungen – erheblich beschleunigen.
Pilotprojekte mit Roche, Novartis oder Merck konzentrieren sich auf das Screening kleiner Moleküle und die Optimierung chemischer Reaktionen. Die Technologie ersetzt keine klinischen Tests, kann aber eines Tages frühe Forschungsphasen günstiger und präziser machen. Kurzfristig spielen hybride Modelle eine wichtige Rolle, bei denen Quanten- und HPC-Systeme zusammenarbeiten.
Logistik und Mobilität: Optimieren statt ausprobieren
Lieferketten, Tourenplanung, Hafenbetriebe oder Verkehrsflussmodelle – überall müssen riesige Mengen kombinatorischer Entscheidungen getroffen werden. Klassische Optimierer stossen hier bei Echtzeitanforderungen oft an Grenzen.
Quanteninspirierte Algorithmen und QAOA-basierte Modelle werden seit einigen Jahren in Pilotprojekten eingesetzt, etwa bei Airbus, DHL oder Volkswagen. Der Vorteil liegt weniger in einer sofortigen Beschleunigung, sondern in der strukturierten Modellierung komplexer Optimierungsprobleme. Die Ergebnisse helfen, Abläufe effizienter zu gestalten oder Engpässe frühzeitiger zu erkennen.
Energiewirtschaft: Netze stabil halten
Stromnetze werden durch dezentrale Erzeuger, Elektromobilität und volatile Einspeisung komplexer. Netzbetreiber testen deshalb Quantenverfahren zur Lastverteilung, Kraftwerksplanung oder Fehlererkennung.
Algorithmen zur Hamiltonian-Simulation könnten künftig helfen, Netzverhalten physikalisch realistischer zu modellieren. Auch Optimierungsalgorithmen für das Load Balancing werden erprobt. Bisherige Resultate zeigen, dass besonders hybride Ansätze Potenzial haben – echte Vorteile werden jedoch erst mit grösseren Quantenprozessoren erwartet.
Finanzindustrie: Risiko schneller analysieren
Banken und Versicherer prüfen schon länger, wie sich Quantencomputer für Portfolio-Optimierung, Risikoanalyse oder Fraud Detection nutzen lassen. Der Fokus liegt dabei oft auf mathematisch anspruchsvollen Problemen, etwa Monte-Carlo-Simulationen. Quantenalgorithmen wie Quantum Amplitude Estimation versprechen hier langfristig deutliche Effizienzsteigerungen. Derzeit laufen hauptsächlich Proof-of-Concepts, die helfen, Datenmodelle und Workflows „quantum ready“ zu gestalten. In keiner Branche liefert Quantencomputing heute fertige Lösungen. Doch in vielen Bereichen schafft es bereits strategische Vorteile: Unternehmen verstehen ihre komplexesten Probleme tiefer, entwickeln neue Methoden und bereiten sich auf die Zeit vor, in der fehlerkorrigierte Quantenrechner verfügbar sein werden.