Quanten-Software

Nr. 25-7 aktualisiert 2025-11-21 Lesedauer: min

Die Suche nach Software für Quantencomputer

Quantenhardware sorgt für Aufmerksamkeit – doch ohne passende Software bleibt sie weitgehend nutzlos. Erst Programmiersprachen, Compiler, Laufzeitumgebungen und High-Level-Frameworks ermöglichen es, Quantenalgorithmen zu entwickeln, zu testen und in hybride Workflows einzubetten. Dieser Beitrag zeigt, warum Software-Stacks den eigentlichen Fortschritt im Quantenbereich treiben und welche Modelle sich aktuell durchsetzen.

Daniil Komov auf Unsplash

Ein Quantenprozessor ist ein empfindliches Analogsystem, das in einer hochspezialisierten Umgebung läuft. Um aus diesem physikalischen Gerät einen „Rechner“ zu machen, braucht es mehrere Abstraktionsstufen.

Software-Stacks übernehmen dabei zentrale Aufgaben: Sie übersetzen mathematische Operationen in hardwarefähige Pulse,  optimieren Schaltkreise für die Reduktion von Fehlern, orchestrieren den Austausch zwischen klassischem Rechner und Quantenchip. Damit bestimmen sie massgeblich, wie effizient Algorithmen laufen – und welche Hardwareplattformen sich einsetzen lassen.

Low-Level-Programmierung: Pulse, Gates und Kontrolle

Auf der untersten Ebene steht die Steuerung einzelner Qubits. Hier arbeiten Entwickler mit Pulssequenzen, Gate-Bibliotheken und hardwareabhängigen Timings. Systeme wie Qiskit Pulse, OpenPulse oder plattformspezifische Toolchains der Anbieter erlauben eine extrem präzise Kontrolle. Diese Schicht ist essenziell für Forschung und Hardwareoptimierung – jedoch weit entfernt von alltäglicher Softwareentwicklung. Solche Low-Level-Zugänge sind wichtig, um Experimente zu verfeinern, Rauschen zu verringern und neue Gate-Typen zu testen. Für Industrieanwendungen spielen sie eine indirekte Rolle: Als Basis für höhere Abstraktionsebenen.

Mid-Level: Schaltkreise als universelle Sprache

Die gängigste Ebene sind Quantenschaltkreise. Entwickler arbeiten hier mit Gates, Registern und Messbefehlen – ähnlich wie bei einem digitalen Schaltkreis, nur ohne klassische Logik.

Frameworks wie Qiskit, Cirq, Braket SDK oder tket übersetzen diese Schaltkreise in optimierte Hardwarebefehle.

Vorteile dieses Modells sind:

  • Plattformunabhängigkeit
  • gute Visualisierungsmöglichkeiten
  • reichhaltige Bibliotheken für Algorithmen. Allerdings muss der Entwickler noch viele Entscheidungen selbst treffen, etwa wie Gates parametrisiert oder Fehler mitigiert werden sollen.

Compiler und Optimierer: Die unsichtbaren Helden

Zwischen dem abstrakten Algorithmus und der physikalischen Hardware arbeiten Quanten-Compiler im Verborgenen. Sie zerlegen komplexe Operationen in die elementaren Gates, die eine konkrete Plattform unterstützt, und optimieren gleichzeitig die gesamte Struktur des Schaltkreises. Damit entfernen sie redundante Schritte, reduzieren die Tiefe des Circuits und passen das Layout an die Topologie des jeweiligen Prozessors an. Moderne Compiler nutzen heuristische Verfahren, mathematische Umschreibregeln und hardwareabhängige Mapping-Algorithmen. Oft entscheiden sie darüber, ob ein Algorithmus in der Praxis überhaupt ausführbar ist oder an zu langen Sequenzen und hohen Fehlerraten scheitert – und sind damit mindestens so wichtig wie die Programmiersprache selbst.

Runtime-Systeme spielen eine zentrale Rolle

Viele Quantenalgorithmen sind iterative Verfahren, bei denen ein klassischer Optimierer und ein Quantenprozessor eng zusammenarbeiten müssen. Hier kommen Runtime-Systeme ins Spiel. Sie reduzieren die Latenz zwischen CPU und QPU, indem sie den Austausch direkt auf der Server- oder Cloudseite abwickeln. Plattformen wie Qiskit Runtime, Azure Quantum oder AWS Braket bieten dafür optimierte Umgebungen, die wiederholte Mess- und Optimierungsschleifen effizient steuern. Gleichzeitig liefern sie Werkzeuge für Fehler-Mitigation, Monitoring, Kostenkontrolle und automatisierte Workflow-Ausführung. Damit bilden sie das Fundament für skalierbare, reproduzierbare und wirtschaftliche hybride Pipelines.

Quantenhardware definiert zwar die physikalischen Grenzen, doch erst die Software macht deren Potenzial wirklich nutzbar. Die leistungsfähigsten Plattformen werden jene sein, die effiziente Compiler, flexible Abstraktionen und hochoptimierte Runtimes in einem reibungslosen Ökosystem vereinen. Für Unternehmen ist es deshalb entscheidend, sich frühzeitig auf ein Software-Stack festzulegen, Kompetenzen darin aufzubauen und praktische Erfahrungen zu sammeln. Nicht die Hardwaregeneration ist das entscheidende Kriterium – sondern die Frage, wie gut sich ein Problem in einem modernen Quanten-Software-Ökosystem modellieren, optimieren und in hybride Workflows integrieren lässt.

Christian Bühlmann

Chefredaktor Computerworld

Christian Bühlmann ist Chefredaktor der Computerworld und engagiert sich in der IT-Branche seit mehr als 30 Jahren als Fachautor, Berater und Projektleiter mit den Herausforderungen von Unternehmen in der digitalen Welt.