Green-IT

Nr. 25-5 aktualisiert 2025-07-04 Lesedauer: min

Smart & Sustainable IT: Wettbewerbsvorteil Nachhaltigkeit

Green-IT ist weit mehr als ein Marketingversprechen. Nachhaltige IT-Strategien werden zum Wirtschaftsfaktor und Standortvorteil. Wie Unternehmen Ressourcen sparen, CO2-Emissionen senken – und gleichzeitig Innovation fördern.

Green-IT ermöglicht neue Geschäftsmodelle und macht die Digitalisierung zukunftsfähig. Bild: Shutterstock/dee karen

Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran – und mit ihr wächst der ökologische Fussabdruck der globalen IT-Infrastruktur. Schätzungen zufolge ist die Informations- und Kommunikationstechnologie heute für rund 3 bis 4 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich – Tendenz steigend. Rechenzentren, Cloud-Plattformen, Milliarden Endgeräte und eine exponentiell wachsende Datenflut tragen erheblich zum Energieverbrauch bei. Und auch in der Schweiz hinterlässt die digitale Transformation deutliche ökologische Spuren. Gleichzeitig stehen Unternehmen unter wachsendem Druck, ihren CO2-Ausstoss zu senken, Kreislaufwirtschaft zu fördern und die Anforderungen an ESG-Berichterstattung zu erfüllen. Was bisher oft als Nebenschauplatz der Nachhaltigkeitsstrategie galt, rückt nun in den Fokus der Unternehmensführung: Die IT wird zum Schlüsselfaktor – im Positiven wie im Negativen.

Ganzheitlicher Ansatz

Green-IT ist dabei mehr als eine technologische Spielwiese für Idealisten. Sie ist ein entscheidender Hebel zur Erreichung von Klimazielen, zur Effizienzsteigerung und zur Reputation im Markt. Richtig umgesetzt, kann sie nicht nur den Ressourcenverbrauch senken, sondern auch Innovationspotenziale freisetzen und neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Inzwischen ist der Begriff «Green-IT» in vielen Strategiepapiere vorgedrungen – doch was genau darunter zu verstehen ist, bleibt häufig vage. Dabei geht es bei Green-IT nicht bloss um den sparsamen Einsatz von Energie, sondern um einen ganzheitlichen Ansatz zur nachhaltigen Gestaltung von Informations- und Kommunikationstechnologie über den gesamten Lebenszyklus hinweg.

In der Praxis tauchen zahlreiche Begriffe auf, die mit Green-IT verwandt oder deckungsgleich sind: Sustainable IT, Net Zero IT, Circular IT oder auch Digital Sustainability. Während Sustainable IT stärker auf den Beitrag der IT zur Gesamt-Nachhaltigkeit des Unternehmens abzielt, betont Circular IT den geschlossenen Materialkreislauf von Geräten und Komponenten. Green-IT im engeren Sinne fokussiert jedoch primär auf die ökologischen Aspekte der IT selbst – ihre Produktion, ihren Betrieb und ihre Entsorgung. Green-IT ist also kein isoliertes Projekt, sondern eine Querschnittsaufgabe, die IT, Einkauf, Nachhaltigkeit und Geschäftsführung verbindet. Der Wandel beginnt mit einer klaren Definition – und der Bereitschaft, Prozesse und Denkweisen grundlegend zu hinterfragen.

Regulatorischer Druck

Green-IT ist längst nicht mehr nur ein freiwilliger Beitrag zum Klimaschutz – sie wird zunehmend zur regulatorischen Pflicht. Gesetzgeber, Aufsichtsbehörden und Kapitalmärkte erhöhen den Druck auf Unternehmen, ihre ökologischen Auswirkungen offenzulegen und gezielt zu reduzieren. Insbesondere für IT-Abteilungen bedeutet das: Nachhaltigkeit wird zur Compliance-Frage.

  • Europäische Regulierungen mit Wirkung auf Schweizer Unternehmen: Auch wenn die Schweiz formell nicht Teil der EU ist, haben europäische Regelwerke längst Einfluss auf Schweizer Firmen – insbesondere dann, wenn sie in internationalen Lieferketten eingebunden sind oder Kapitalmärkte erschliessen wollen.
  • CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive): Ab 2025 müssen auch grosse Schweizer Unternehmen mit Sitz in der EU oder mit Tochterfirmen in der EU umfassende Nachhaltigkeitsberichte erstellen. Die IT rückt dabei als CO2-Verursacher und als Enabler in den Fokus.

  • Digital Product Passport & Ecodesign: Die EU plant Vorschriften für digitale Produktpässe, welche Informationen zu Umweltwirkungen, Lebensdauer und Reparierbarkeit von IT-Produkten enthalten. Auch Software könnte künftig betroffen sein.
  • Klimastrategie 2050: Die Schweiz verfolgt mit ihrer Klimastrategie 2050 das Ziel, bis Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu werden. Auch wenn es bislang keine spezifischen Vorgaben für die ITBranche gibt, zeigt sich eine klare Richtung: CO2-Abgaben und Stromtarife setzen Anreize zur Effizienzsteigerung, öffentliche Ausschreibungen verlangen zunehmend Nachhaltigkeitsnachweise, Swiss Climate Scores fördern Transparenz über ökologische Kennzahlen in der Kapitalanlage – auch IT-Investitionen können betroffen sein.

Zudem entstehen im Rahmen von Initiativen wie dem «Swiss Data Center Efficiency Label» oder dem «Green ICT Network» freiwillige Standards, welche zur Marktetablierung von Green-IT beitragen. Nachhaltigkeit ist längst auch in den Bilanzen angekommen. Investoren, Banken und Ratingagenturen verlangen heute ESG-Transparenz. Was früher eine Kür war, ist heute vielerorts Pflicht. Und was heute noch freiwillig erscheint, kann morgen schon verbindlich sein. Green-IT ist damit nicht nur ein Gebot der Vernunft, sondern eine strategische Notwendigkeit.

Green-IT als Innovationsmotor

Green-IT ist nicht nur Pflicht, sondern auch Chance: Nachhaltige IT-Lösungen fördern Effizienz, verbessern Softwarequalität und reduzieren Komplexität. Wer auf energiearme Software, langlebige Hardware und smarte Cloud-Architekturen setzt, profitiert auch wirtschaftlich. Zudem eröffnen sich neue Geschäftsmodelle – von Device-as-a-Service über klimafreundliche Cloud-Angebote bis hin zu datenbasierten Nachhaltigkeitsservices. Technologische Trends wie KI, Edge Computing oder Blockchain lassen sich gezielt für ökologische Ziele nutzen. Damit wird Green-IT zum Innovationsmotor: für effizientere Prozesse, resilientere Systeme und eine zukunftsfähige Digitalisierung – auch in der Schweiz.

Trotz guter Absichten birgt Green-IT auch Risiken. Technologische Effizienzgewinne können durch Rebound-Effekte wieder zunichtegemacht werden, etwa wenn virtualisierte Ressourcen zu noch mehr Rechenleistung führen. Zudem stehen Unternehmen häufig vor Zielkonflikten: Längere Gerätelebenszyklen können Sicherheitsrisiken erhöhen, energieeffiziente Alternativen sind nicht immer wirtschaftlich, und nachhaltige Cloud-Optionen kosten oft mehr. Hinzukommt die Gefahr des Greenwashings: CO2-Kompensation ersetzt nicht strukturelle Verbesserungen, und neue «grüne» Geräte machen wenig Sinn, wenn funktionierende Systeme vorschnell ersetzt werden. Entscheidend ist, Green-IT glaubwürdig, messbar und langfristig wirksam umzusetzen – mit Substanz statt Symbolpolitik.

Nachhaltigkeit hat Zukunft

Green-IT ist weit mehr als eine technische Massnahme – sie ist ein strategischer Ansatz, um Digitalisierung nachhaltig, effizient und zukunftsfähig zu gestalten. Unternehmen stehen heute vor der Aufgabe, den ökologischen Fussabdruck ihrer IT systematisch zu reduzieren – sei es durch energieeffiziente Rechenzentren, nachhaltige Softwareentwicklung, verlängerte Gerätelebenszyklen oder neue Geschäftsmodelle. CIOs und IT-Abteilungen übernehmen dabei eine zentrale Rolle: als Enabler der ESG-Strategie, als Innovationstreiber – und als Hüter digitaler Verantwortung. Wer Green-IT ganzheitlich denkt, kann nicht nur Kosten und Emissionen senken, sondern auch Qualität, Resilienz und Reputation steigern. Die Herausforderung liegt im Detail – und in der Konsequenz. Doch die Chancen, die sich durch nachhaltige IT eröffnen, sind grösser als je zuvor.

Beispielhafte Handlungsfelder

Infrastruktur

Effiziente Stromversorgung, Kühlung und Servervirtualisierung im Rechenzentrum

Endgeräte

Einsatz langlebiger Hardware, Refurbished Devices, Device-as-a-Service-Modelle

Software

Energieeffizienter Code, schlanke Apps, optimierte Datenverarbeitung

Beschaffung

Nachhaltige Lieferketten, Umweltzertifikate, Transparenz über CO2-Bilanzen

Entsorgung

Rücknahmesysteme, fachgerechtes Recycling, Second-Life-Strategien

Charlotte Guttweiler

Charlotte Guttweiler verfügt über ein Masterdiplom in Software Engineering und hat mehrere Jahre in Deutschland, Südafrika und in den USA in den Bereichen Softwareentwicklung und ITProjekte gearbeitet.