Digitalisierung
Technologien, Trends, Transformation
Zwischen technologischem Wandel und gesellschaftlichem Umbruch: Eine Standortbestimmung der Digitalisierung – und ein Kompass für Unternehmen auf dem Weg in die Zukunft.

Die digitale Transformation ist kein Projekt mit Enddatum – sie ist ein fortlaufender Wandel, der Technik, Organisation und Geschäftsmodelle verändert. Wo stehen wir heute in diesem Kontinuum? Wohin geht die Reise? Heute stehen Führungskräfte vor der Herausforderung, in einem hochdynamischen Umfeld die richtigen Entscheidungen zu treffen: Cloud, Künstliche Intelligenz, Datenstrategie, regulatorische Vorgaben, Fachkräftemangel – die Themen sind zahlreich, komplex und oft miteinander verwoben. Gleichzeitig ist der Druck gross: Kundenerwartungen, Wettbewerbsdruck und technologische Zyklen lassen wenig Spielraum für Zögern. Wer heute IT verantwortet, bewegt sich in einem Spannungsfeld aus technologischen Umbrüchen, organisatorischen Anforderungen und strategischen Entscheidungen.
Von der Automatisierung zur IT-gestützten Organisation
Die Wurzeln der digitalen Transformation liegen in der Automatisierung. In den 1970er- und 1980er-Jahren hielten Grossrechner Einzug in Grossunternehmen, Banken und Verwaltungen. Diese frühen IT-Systeme dienten vor allem dazu, repetitive Aufgaben effizienter zu gestalten – etwa in der Buchhaltung, der Lohnverarbeitung oder der Lagerbewirtschaftung. Die EDV (elektronische Datenverarbeitung) war klar funktional ausgerichtet und wurde primär als Kostenfaktor behandelt. Ein Meilenstein war die Einführung standardisierter ERP-Systeme wie SAP R/2, das erstmals verschiedene Unternehmensbereiche auf einer gemeinsamen Plattform zusammenführte. Damit verschoben sich die Erwartungen an die IT: Sie sollte nicht mehr nur Prozesse beschleunigen, sondern ganze Wertschöpfungsketten integrieren und steuerbar machen. Parallel dazu entstanden erste Standards für den elektronischen Datenaustausch (EDI), die den Grundstein für digitale Geschäftsprozesse zwischen Unternehmen legten – insbesondere im Handel und in der Industrie. IT-Abteilungen wurden aufgebaut, erste CIO-Rollen definiert, und der Gedanke der strategischen IT-Planung nahm Gestalt an. Dennoch blieb die Rolle der Informatik lange technisch geprägt: als Werkzeug im Hintergrund, das klare Geschäftsanforderungen umsetzt. Diese frühe Phase der Digitalisierung war von hoher Standardisierung und zentraler Steuerung geprägt. Sie bildete das Fundament für alles, was später kam – sowohl in technologischer als auch in organisatorischer Hinsicht.
Das Internet-Zeitalter verändert die Spielregeln
Mit der Verbreitung des Internets Mitte der 1990er-Jahre begann eine neue Ära der Digitalisierung. Unternehmen entdeckten das Web zunächst als Informationsplattform, dann zunehmend als Vertriebskanal und Kundenschnittstelle. Die Entwicklung hin zum E-Business nahm Fahrt auf – E-Mail, Onlineportale, E-Commerce und Onlinebanking wurden zu selbstverständlichen Bestandteilen des Geschäftsalltags. Gleichzeitig veränderte sich die IT-Architektur grundlegend. Die zentrale Rechenzentrums-IT wurde durch Client-Server-Modelle ergänzt, PCs hielten Einzug in Büros und Abteilungen, IT wurde dezentraler und vielseitiger einsetzbar. Die zunehmend Verfügbarkeit von Standardsoftware und das Entstehen von Dienstleistungsmodellen wie Application Service Providing (ASP) machten IT-Lösungen für KMU zugänglicher. Erste Cloud-Konzepte entstanden, anfangs in Form von gehosteten Anwendungen oder virtualisierten Rechenzentren. Auch das Thema Outsourcing wurde populär – besonders in kostensensiblen Bereichen wie Infrastruktur oder Support. Damit verlagerte sich ein Teil der IT-Verantwortung nach aussen, während intern neue Kompetenzen im Bereich Steuerung und Governance gefragt waren. Diese Zeit war auch geprägt von einem Perspektivenwechsel: Die IT wurde nicht länger nur als betriebliche Unterstützungsfunktion verstanden, sondern zunehmend als Hebel für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Unternehmen begannen, digitale Kanäle strategisch zu nutzen – etwa zur Kundenbindung, zur Effizienzsteigerung oder zur internationalen Expansion. Das Internetzeitalter brachte nicht nur neue Technologien, sondern stellte auch die bisherigen Geschäftsmodelle infrage. Die Karten wurden neu gemischt – und viele Unternehmen begannen zu realisieren, dass Digitalisierung weit mehr bedeutet als IT-Projekte.
Mobil, sozial, vernetzt: Der Weg zur digitalen Gesellschaft
Mit dem Siegeszug des Smartphones und der mobilen Apps begann die digitale Transformation auch den Alltag zu durchdringen – von Konsumenten bis in die Unternehmenswelt. Die Einführung des iPhones 2007 markierte einen Wendepunkt: Mobile Geräte wurden zu ständigen Begleitern, und Unternehmen mussten ihre Angebote, Prozesse und IT-Architekturen mobilfähig machen. Die «Mobile First»-Strategie war geboren – und mit ihr neue Anforderungen an Geschwindigkeit, Skalierbarkeit und User Experience. Gleichzeitig rückten soziale Netzwerke in den Vordergrund – zuerst im privaten Umfeld, dann zunehmend im Business-Kontext. Plattformen wie LinkedIn, Twitter und später Microsoft Teams oder Slack veränderten nicht nur die Kommunikation, sondern auch die Art, wie Wissen geteilt und Zusammenarbeit organisiert wurde. Die IT wurde zur Enablerin einer vernetzten Arbeitskultur, in der klassische Hierarchien und starre Prozesse zunehmend hinterfragt wurden.
Auch technologisch brachte das Jahrzehnt grundlegende Neuerungen: Der Trend zur Cloud beschleunigte sich, monolithische Systeme wurden durch API-basierte Architekturen und Microservices abgelöst. Gleichzeitig entstanden neue Datenmengen – «Big Data» wurde zum Buzzword und zur Herausforderung zugleich. Unternehmen begannen, sich ernsthaft mit Data Analytics, Business Intelligence und datengetriebenen Entscheidungen auseinanderzusetzen. Mit dieser Entwicklung wurde IT endgültig zur strategischen Schlüsselfunktion – nicht nur für Effizienz, sondern für Innovation und Differenzierung. Organisationen, die früh auf agile Methoden, crossfunktionale Teams und DevOps setzten, verschafften sich einen klaren Vorsprung in Sachen Anpassungsfähigkeit und Time-to-Market. Die Jahre 2010 bis 2020 waren damit ein Übergang von der digitalisierten Organisation zur digitalen Gesellschaft – geprägt durch Echtzeitvernetzung, Daten als Rohstoff und das Aufbrechen traditioneller Unternehmensstrukturen.

Stand der Digitalisierung heute
Die Digitalisierung ist in den Unternehmen angekommen – aber längst nicht abgeschlossen. Wer heute digital erfolgreich sein will, braucht mehr als nur moderne Systeme. Gefragt ist ein Zusammenspiel aus Technologie, Organisation, Kultur, Governance und Geschäftsmodell. Der digitale Reifegrad entscheidet zunehmend über Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und Resilienz. Die folgenden Dimensionen zeigen, worauf es heute ankommt:
- Vom Werkzeug zum Ökosystem: Cloud-Plattformen haben sich in vielen Unternehmen etabliert – meist als hybride oder Multi-Cloud-Strategien. Gleichzeitig ermöglichen neue Technologien wie generative KI ganz neue Ansätze in der Automatisierung, Content-Produktion und Entscheidungsunterstützung. Daten gelten als zentrales Asset, doch ihre Nutzbarkeit hängt stark von Plattformstrategie, Integration und Governance ab. IT-Architekturen müssen heute nicht nur performant, sondern auch offen, skalierbar und sicher sein. Cybersecurity ist längst kein reines IT-Thema mehr, sondern ein strategischer Bestandteil der Unternehmensführung – insbesondere angesichts wachsender Bedrohungslagen und regulatorischer Anforderungen.
- Agilität und operative Exzellenz: In einer digitalisierten Welt gewinnen Anpassungsfähigkeit und Umsetzungsgeschwindigkeit an Bedeutung. Agile Methoden, iterative Entwicklung und crossfunktionale Teams sind heute fester Bestandteil moderner Organisationen. DevOps-Praktiken helfen, die Kluft zwischen Entwicklung und Betrieb zu überbrücken und erhöhen die Reaktionsfähigkeit auf Veränderungen. Gleichzeitig stehen Effizienz und Automatisierung hoch im Kurs: Durchgängige Prozesse, Plattformökonomien und API-getriebene Integration schaffen Voraussetzungen für Skalierbarkeit und Innovation. Die IT wird so vom Dienstleister zum Business-Enabler – mit wachsender Verantwortung für den Geschäftserfolg.
Der Mensch im Mittelpunkt: Digitale Transformation gelingt nicht ohne den kulturellen Wandel. Es braucht Offenheit für Veränderung, Mut zum Experimentieren und die Fähigkeit, althergebrachte Strukturen zu hinterfragen. Die Nachfrage nach digitalen Kompetenzen steigt rasant – ebenso die Notwendigkeit, bestehende Mitarbeitende weiterzubilden oder umzuschulen. Gleichzeitig prägen hybride Arbeitsformen, Remote-Zusammenarbeit und neue Erwartungen an Führung und Kommunikation den Alltag. Moderne Unternehmen investieren nicht nur in Technologie, sondern auch in Vertrauen, Eigenverantwortung und ein gemeinsames digitales Verständnis.
Sicherheit und Verantwortung: Der regulatorische Rahmen für Digitalisierung wird komplexer – Datenschutzgesetze, Cybersicherheitsrichtlinien (wie NIS2) und ESG-Vorgaben fordern Unternehmen auf mehreren Ebenen. ITGovernance wird zur Schlüsseldisziplin: Datenhoheit, Transparenz und Revisionssicherheit sind ebenso gefragt wie effiziente Steuerungsmechanismen. Auch Nachhaltigkeit rückt in den Fokus – ob durch energieeffiziente Rechenzentren oder «Green Coding». Die Frage der digitalen Souveränität wird zunehmend strategisch: Wer kontrolliert die Infrastruktur, auf der unsere Geschäftsprozesse laufen – und wie unabhängig wollen oder müssen wir sein?
Von Produkten zu digitalen Services: Wertschöpfung verlagert sich zunehmend in den digitalen Raum. Klassische Produkte werden ergänzt oder ersetzt durch datenbasierte Dienstleistungen, Plattformmodelle und Subscription-Angebote. Kundinnen und Kunden erwarten nahtlose, digitale Erlebnisse – über alle Kanäle hinweg. Unternehmen setzen auf Personalisierung, Self-Service und Echtzeitinteraktion, um sich im Wettbewerb zu differenzieren. Plattformstrategien ermöglichen zudem neue Partner-Ökosysteme, Skaleneffekte und Marktzugänge – auch für kleinere oder hochspezialisierte Anbieter. Entscheidend ist: Digitalisierung darf kein Nebenschauplatz sein, sondern muss integraler Bestandteil des Geschäftsmodells sein.
Die Jahre 2010 bis 2020 markierten den Übergang von der digitalisierten Organisation zur digitalen Gesellschaft.
Was kommt morgen auf uns zu?
Die Digitalisierung entwickelt sich nicht linear – sie ist geprägt von Sprüngen, Umbrüchen und neuen Paradigmen. Wer heute in Technologie investiert, muss nicht nur bestehende Herausforderungen lösen, sondern auch künftige Entwicklungen antizipieren. Klar ist: Die nächsten Jahre werden durch weitere Beschleunigung, technologische Disruption und neue Erwartungen an Unternehmen geprägt sein. Drei Entwicklungen stehen dabei besonders im Fokus:
- Technologische Beschleunigung: Mit der massiven Verbreitung von generativer KI, der Weiterentwicklung von Quantencomputing und dem Vormarsch autonomer Systeme stehen Unternehmen vor einem neuen Innovationsschub. Diese Technologien versprechen Effizienzgewinne, neue Geschäftsmodelle – aber auch Unsicherheiten bei Ethik, Kontrolle und Regulierung. Gleichzeitig steigt der Druck, bestehende IT-Landschaften zu modernisieren und technologieoffen zu denken: Composable Architectures, API-Economy und Automation-First sind nur einige Stichworte, die die künftige IT-Landschaft prägen werden.
- Neue Ansprüche an Führung und Organisation: Die digitale Transformation ist längst nicht mehr nur ein Projekt der IT – sie erfordert unternehmensweite Führung. In Zukunft wird es darauf ankommen, digitale Fähigkeiten breit zu verankern, Silos abzubauen und ein Umfeld zu schaffen, in dem Innovation gefördert und akzeptierte Fehler Teil der Lernkultur sind. Die Rolle des CIO wandelt sich dabei weiter: weg vom IT-Verwalter, hin zum strategischen Partner für Innovation, Transformation und Nachhaltigkeit. Auch Nachhaltigkeit wird nicht mehr nur als Compliance-Thema gesehen, sondern als integraler Bestandteil digitaler Strategien.
Strategische Weichenstellungen: Die Frage ist nicht mehr, ob man digitalisiert – sondern wie, wie schnell und mit welchen Partnern. Unternehmen müssen ihre digitale Souveränität sichern, Abhängigkeiten kritisch prüfen und datengetriebene Geschäftsmodelle nachhaltig gestalten. Dabei geht es nicht um Technologiefetischismus, sondern um Wertschöpfung, Resilienz und Relevanz. Der Standort Schweiz steht dabei gut da – mit hoher Innovationskraft, stabilen Strukturen und qualifizierten Fachkräften. Aber: Die Zukunftsfähigkeit wird davon abhängen, wie konsequent Unternehmen ihre Strategien auf eine digitale Realität ausrichten.

Digitalisierung trotz globaler Krisen
Die Digitalisierung findet nicht im luftleeren Raum statt. Ihre Entwicklung wird zunehmend durch geopolitische, gesellschaftliche und ökologische Spannungen beeinflusst: Kriege und Handelskonflikte gefährden globale Lieferketten und werfen Fragen nach digitaler Souveränität auf. Pandemien und Migration verlangen neue Formen von Verwaltung, Bildung und Gesundheitsversorgung. Klimakrisen und Ressourcenknappheit fordern Effizienz, Transparenz – und Verantwortung. Und mit wachsender Cyberkriminalität verschwimmt die Grenze zwischen realer und digitaler Bedrohung. In dieser Welt wird Digitalisierung zur doppelten Kraft: Sie kann Teil der Lösung sein – oder Teil des Problems.
Einerseits eröffnen digitale Technologien neue Wege, um Krisen zu erkennen, zu bewältigen und gesellschaftliche Systeme resilienter zu machen. Frühwarnsysteme, datenbasierte Szenarien, vernetzte Hilfsnetze und digitale Bildungsplattformen sind nur einige Beispiele. Andererseits birgt dieselbe Technologie das Potenzial zur Überwachung, zur Manipulation, zur Spaltung von Gesellschaften – etwa durch Desinformation, algorithmische Diskriminierung oder digitale Ungleichheit. Digitalisierung per se ist weder gut noch böse. Entscheidend ist, was die Menschen daraus machen.
Deshalb kommt es auf den verantwortungsvollen Umgang an. In den Händen gut geführter Unternehmen und Staaten kann sie Vertrauen, Effizienz und Innovation fördern. In instabilen oder autoritären Kontexten jedoch genau das Gegenteil bewirken. Die zentrale Frage lautet nicht, ob wir digitalisieren – sondern wie. Wer jetzt digitalisiert, gestaltet nicht nur seine wirtschaftliche Zukunft, sondern trägt Verantwortung für die Gesellschaft von morgen. Digitalisierung kann Hoffnung machen – aber nur, wenn sie klug, ethisch und inklusiv gedacht wird.
Drei Szenarien für das digitale Jahr 2030
Szenario | Beschreibung | Implikation für Unternehmen |
1. Digital souverän | Unternehmen kontrollieren ihre Daten, setzen auf europäische Infrastrukturen und bauen eigene Plattformökosysteme auf. | Investitionen in offene Technologien, Partnerschaften mit regionalen Anbietern, Stärkung der internen IT-Kompetenz |
2. Smart & automatisiert | KI, Robotik und Analytics sind tief in Geschäftsprozesse integriert. Viele Entscheidungen laufen datengetrieben und weitgehend autonom ab. | Fokus auf Automatisierungspotenzial, Governance für KI-Einsatz, neue Rollen und Kompetenzen im Umgang mit algorithmischen Systemen |
3. Fragmentiert & überfordert | Die Transformation verläuft unkoordiniert. Legacy-IT, Regulierungsdruck und Fachkräftemangel führen zu Stagnation. | Strategische Neuausrichtung nötig, Vereinfachung von Systemlandschaften, Auf- und Ausbau digitaler Führungskompetenz |