Digitalisierung

Nr. 25-5 aktualisiert 2025-07-04 Lesedauer: min

Kantonsspital Baden: Ein Spital denkt digital

Mit dem Neubau «Agnes» hat das Kantonsspital Baden nicht nur architektonisch, sondern auch digital neue Massstäbe gesetzt. Über 7000 Sensoren, intelligente Gebäudeautomation und IoT-Technologien machen das KSB zu einem Modell für das Spital der Zukunft

Bild: Kantonsspital Baden

Das Kantonsspital Baden (KSB) ist mehr als ein gewöhnliches Zentrumsspital – es ist ein technologisches Pionierprojekt. Mit der Eröffnung des Neubaus «Agnes» im Februar 2025 hat das KSB ein klares Zeichen für die Zukunft gesetzt. Der Neubau mit einer Fläche von über 76'000 Quadratmetern ersetzt das bisherige Gebäude aus dem Jahr 1978 und bringt nicht nur ein architektonisches, sondern vor allem ein technologisches Upgrade. Helle Räume, natürliche Materialien, flexible Raumkonzepte und ein durchdachter Umgang mit Licht und Farben sind Ausdruck der Healing Architecture, welche das Wohlbefinden der Patient:innen in den Mittelpunkt stellt. Gleichzeitig stehen Effizienz, Nachhaltigkeit und digitale Intelligenz im Fokus. Die gesamte Infrastruktur wurde von Grund auf digital geplant und vernetzt – vom Operationssaal bis zum Technikraum. Mit dem Ziel, das führende Zentrumsspital der Schweiz zu werden, investierte das KSB rund 600 Millionen Franken in diesen Neubau.

Digitalisierung mit System

Ein zentrales Element der digitalen Strategie ist die offene Plattform Siemens Xcelerator. Sie bildet das Rückgrat für sämtliche smarten Anwendungen im Neubau. Über 7000 IoT-Sensoren liefern kontinuierlich Daten zu Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Bewegungen, Lichtverhältnissen und technischen Zuständen. Ergänzt werden sie durch 2000 sogenannte Asset-Tags, mit denen medizinische Geräte wie Rollstühle, Infusionspumpen oder Betten geortet und verwaltet werden können. Die Datenströme werden intelligent verknüpft und erlauben ein durchgängiges Monitoring des gesamten Spitalbetriebs. Ziel ist es, Reibungsverluste zu vermeiden, Abläufe zu beschleunigen und den Mitarbeitenden den Rücken für die Arbeit am Menschen freizuhalten. Durch die nahtlose Integration verschiedener Systeme wird eine Echtzeit-Datenbasis geschaffen, die sowohl operative Effizienz als auch klinische Qualität verbessert.

Smartes Gebäudemanagement

Die Steuerung dieser komplexen Infrastruktur erfolgt über Desigo CC – die Gebäudemanagementplattform von Siemens. Sie integriert Heizung, Lüftung, Klima, Beleuchtung, Sicherheitssysteme und Brandschutz in einer einheitlichen Benutzeroberfläche. Automatische Beschattungen passen sich an den Sonnenstand an, Lichtsysteme reagieren auf Tageslichtintensität und Anwesenheit. Die Medizingasversorgung wird zentral überwacht, Kühlsysteme für Medikamente und Blutkonserven schlagen bei Abweichungen sofort Alarm. Zutrittskontrollen, Videoüberwachung und Brandmeldeanlagen mit über 7300 Sensoren sorgen für höchste Sicherheit. All diese Systeme arbeiten automatisiert, können aber jederzeit manuell übersteuert werden. Die Digitalisierung sorgt nicht nur für Komfort und Effizienz, sondern leistet auch einen entscheidenden Beitrag zur Nachhaltigkeit durch optimierten Energieverbrauch und minimalen Ressourceneinsatz.

Im «Untergrund» optimieren mobile Roboter die Intralogistik im KSB. Bild: Computerworld

Effizienz im Spitalalltag

Besonders eindrücklich ist die smarte Lösung zur Echtzeitortung von Geräten. In Spitälern ohne solche Systeme verbringen Pflegekräfte pro Schicht bis zu 72 Minuten mit der Suche nach benötigtem Equipment. Im KSB wird dieses Problem durch ein flächendeckendes Tracking eliminiert. Über eine App kann das Personal sofort erkennen, wo sich beispielsweise ein bestimmter Ultraschallgerät befindet. Auch das Bettenmanagement wurde digitalisiert – inklusive automatisierter Transportaufträge. Pro Tag werden bis zu 100 Bettenbewegungen elektronisch ausgelöst. Gleichzeitig profitieren die Patienten von einer App-basierten Navigation durch das Gebäude. Darüber hinaus trägt die Digitalisierung zur Verbesserung des Medikationsprozesses bei: Kühlketten für temperatursensible Medikamente werden automatisch überwacht. Auch die Raumbuchung und Auslastungssteuerung wurde digitalisiert. Dies ermöglicht eine optimale Nutzung von Untersuchungs- und Behandlungsräumen. Insgesamt konnten so Wartezeiten verringert, Ressourcen effizienter eingesetzt und die Patientenzufriedenheit spürbar erhöht werden.

Mehr Zeit für Menschen

Digitale Technologien entfalten ihren wahren Wert dann, wenn sie nicht nur Prozesse effizienter machen, sondern den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Genau das gelingt dem Kantonsspital Baden mit seinem intelligenten Neubau. Dank der umfassenden Automatisierung und Vernetzung gewinnen Ärztinnen, Pfleger und weitere Fachpersonen wertvolle Zeit zurück – Zeit, die in die Betreuung und das Gespräch mit Patientinnen und Patienten investiert werden kann. Auch Reinigungs- und Wartungsaufträge laufen automatisiert ab, was den Tagesablauf des Spitalpersonals spürbar entlastet. Durch die präzise Steuerung von Raumklima, Licht und Geräuschkulisse profitieren Patienten von einem angenehmeren Heilungsumfeld – ein zentraler Aspekt der sogenannten Healing Architecture. Die digitalen Hilfsmittel sorgen für mehr Ruhe und Effizienz.

In der Spitalapotheke sorgt der Medikamentenroboter im Handumdrehen für Ordnung. Bild: Computerworld

Smart Hospital als Zukunftsmodell

Was heute in Baden Realität ist, könnte bald zum Standard in der modernen Gesundheitsversorgung werden. Das Kantonsspital Baden (KSB) zeigt exemplarisch, wie eine konsequente digitale Transformation im Spitalwesen gelingen kann – nicht als reines Technikprojekt, sondern als umfassende Neugestaltung des klinischen Alltags. Es verbindet Effizienz mit Menschlichkeit, Technologie mit Sicherheit und Innovation mit Alltagstauglichkeit. Die eingesetzten Technologien – von intelligenten Sensoren über smarte Gebäudesteuerung bis hin zu App-basierten Navigationslösungen – sorgen nicht nur für einen reibungslosen Betrieb. Sie schaffen auch eine Umgebung, in der sich Patientinnen und Patienten besser betreut fühlen und Fachkräfte in ihrer Arbeit gezielt unterstützt werden. Gleichzeitig erfüllt das KSB wichtige ökologische und ökonomische Ziele. Die Digitalisierung hilft, den Energieverbrauch zu senken, Ressourcen optimal zu nutzen und den CO2-Ausstoss zu reduzieren. Auch das Gesundheitssystem als Ganzes kann profitieren: durch geringere Betriebskosten, bessere Planbarkeit und einen höheren Grad an Versorgungssicherheit. Das Spital von morgen ist vernetzt, vorausschauend und flexibel. Es reagiert dynamisch auf Patientenströme, Versorgungsengpässe und technische Herausforderungen – und nutzt digitale Werkzeuge, um das medizinische Potenzial voll zu entfalten. Das Kantonsspital Baden präsentiert sich als Vorzeigebeispiel der digitalen Transformation.

Christian Bühlmann

Chefredaktor Computerworld

Christian Bühlmann ist Chefredaktor der Computerworld und engagiert sich in der IT-Branche seit mehr als 30 Jahren als Fachautor, Berater und Projektleiter mit den Herausforderungen von Unternehmen in der digitalen Welt.