ICT-Branche Schweiz
Konzentration auf neue Ziele
In der ICT-Branche entscheidet Fokussierung über Erfolg. Es reicht nicht mehr, möglichst viele Pfeile abzuschiessen – gefragt ist die Fähigkeit, das Ziel klar zu erkennen und die richtigen Entscheidung zu treffen. Die Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) ist längst nicht mehr nur eine Unterstützungsfunktion für Unternehmen, sondern das Rückgrat der globalen Wirtschaft. Internationale Entwicklungen wie geopolitische Spannungen, Lieferkettenrisiken und neue Regulierungen prägen die Branche ebenso wie technologische Trends: Künstliche Intelligenz (KI), Cloud-Computing, Cybersecurity und Nachhaltigkeit.
Weltweit herrscht ein intensiver Wettbewerb um digitale Märkte und Daten. Gleichzeitig sind Investitionen in Rechenzentren, Energieeffizienz und Souveränität im Fokus. Länder wie die USA und China drängen mit massiven Innovationsprogrammen nach vorne. Für die Schweiz bedeutet das: Sie muss ihre Stärken – Verlässlichkeit, Qualität, regulatorische Sicherheit – noch stärker ausspielen, um im globalen Wettbewerb nicht den Anschluss zu verlieren.
Die Schweiz muss ihre Stärken – Verlässlichkeit, Qualität, regulatorische Sicherheit – noch stärker ausspielen, um im globalen Wettbewerb nicht den Anschluss zu verlieren. (Bild: EASV)
Wirtschaftliche Bedeutung
Die Schweizer ICT-Branche ist ein zentraler Pfeiler der Volkswirtschaft. Mit einem Umsatzvolumen in zweistelliger Milliardenhöhe zählt sie zu den wichtigsten Sektoren neben Finanzdienstleistungen und Industrie. Rund 250’000 Beschäftigte sind direkt oder indirekt im ICT-Sektor tätig – von Softwareentwicklung über Beratung bis zu Cloud- und Infrastrukturservices. Die Branche ist Treiberin der Digitalisierung von Industrie, Verwaltung und Gesellschaft. Besonders die Top-500 ICT-Unternehmen in der Schweiz bilden das Rückgrat der digitalen Transformation: Sie entwickeln Lösungen für Banken, Versicherungen, Industrie, Handel und öffentliche Institutionen. Damit tragen sie nicht nur zur Wertschöpfung, sondern auch zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz bei.
Die ICT ist zudem hochgradig innovationsgetrieben. Unternehmen investieren überdurchschnittlich viel in Forschung und Entwicklung, in Aus- und Weiterbildung sowie in den Aufbau neuer Geschäftsmodelle. In einer Zeit, in der fast alle Sektoren digitale Strategien verfolgen, ist die ICT-Branche der Schlüsselfaktor für die Modernisierung des Wirtschaftsstandorts Schweiz.
IT-Trends 2025
Die grossen Linien der digitalen Agenda 2025 lassen sich klar erkennen: IT-Abteilungen sind nicht länger reine Dienstleister im Hintergrund, sondern haben sich zu strategischen Enablern des Geschäfts entwickelt. CIOs und ihre Teams stehen heute stärker in der Verantwortung, Innovation zu treiben, Effizienz zu steigern und die digitale Transformation des gesamten Unternehmens mitzugestalten. Das verändert auch die Rolle der IT-Führung: Technologische Investitionen müssen nicht nur machbar, sondern vor allem auf den Business Value ausgerichtet sein.
Einen wesentlichen Anteil an dieser Transformation haben Cloud-Strategien. Public-Cloud-Angebote von Hyperscalern wie Microsoft, AWS oder Google bieten zwar enorme Skalierbarkeit, doch Datenschutz, regulatorische Vorgaben und ökologische Fragen veranlassen viele Schweizer Unternehmen, auf hybride oder Multi-Cloud-Modelle zu setzen. Lokale Anbieter punkten hier mit Swissness, Compliance und Nachhaltigkeit. Besonders im Kontext von Energieverbrauch und CO2-Reduktion steigt die Bedeutung nachhaltiger Rechenzentren und regional verankerter Cloud-Lösungen.
Gleichzeitig verschärft sich die Bedrohungslage in der Cybersecurity. Ransomware-Attacken, Datenlecks oder Angriffe auf die Supply Chain sind längst Alltag. Unternehmen begegnen diesen Gefahren zunehmend mit Zero-Trust Architekturen, KI-gestützter Echtzeitüberwachung und automatisierten Security-Operations. Doch die steigende Komplexität der IT-Infrastrukturen sowie limitierte Budgets und fehlendes Fachwissen schaffen neue Widersprüche. Sicherheit bleibt damit ein entscheidendes Nadelöhr für die digitale Transformation.
Parallel dazu rücken Daten ins Zentrum der strategischen Überlegungen. Sie gelten als die Währung der Zukunft und sind Voraussetzung für datengetriebene Geschäftsmodelle. Viele Unternehmen sitzen zwar auf grossen Datenmengen, doch deren Qualität und Integration sind häufig mangelhaft. Erst wenn es gelingt, Daten systematisch zu erschliessen und über Predictive Analytics oder KI nutzbar zu machen, entsteht echter geschäftlicher Mehrwert. Künstliche Intelligenz ist dabei der prägende Trend der Gegenwart. Noch sind nicht alle Branchen von einem KI-dominierten Alltag geprägt, doch die Zahl der Anwendungen wächst rasant – sei es in der Prozessautomatisierung, in der Beratung oder im Aufbau völlig neuer Services. Mit der Technologie entstehen nicht nur neue Geschäftsmodelle, sondern auch neue Berufsbilder. Unternehmen, die hier frühzeitig investieren, können sich entscheidende Wettbewerbsvorteile sichern. Nicht zuletzt ist
Nachhaltigkeit vom Randthema zum harten Wettbewerbsfaktor avanciert. Angesichts steigender Energiepreise, knapper Ressourcen und wachsender regulatorischer Anforderungen wird Green IT zum strategischen Muss. Effiziente Rechenzentren, nachhaltige Cloud-Lösungen und Massnahmen zur CO2-Reduktion sind nicht mehr nur ökologisch sinnvoll, sondern auch wirtschaftlich attraktiv. Wer hier frühzeitig handelt, verschafft sich ein positives Image und langfristige Kostenvorteile.
Kundenperspektive
Der Erfolg von ICT-Unternehmen entscheidet sich nicht allein an technologischen Innovationen oder cleveren Geschäftsmodellen, sondern vor allem an der Schnittstelle zum Kunden. Eine aktuelle Umfrage im Rahmen der Top-500-Erhebung zeigt deutlich: Wer die Bedürfnisse seiner Kunden versteht und eng begleitet, verschafft sich nicht nur kurzfristige Vorteile, sondern baut langfristige Partnerschaften auf.
An erster Stelle der Herausforderungen, mit denen sich die Kunden konfrontiert sehen, steht die Datensicherheit. Über die Hälfte der befragten Unternehmen gab an, dass Datenschutz und Cybersecurity die grössten Stolpersteine bei der Digitalisierung darstellen. Fast ebenso bedeutsam ist die Integration von künstlicher Intelligenz: 47 Prozent der Befragten erwarten Unterstützung, wenn es darum geht, KI sinnvoll und sicher in bestehende Prozesse einzubinden. Auf den weiteren Plätzen folgen Cloud-Implementierungen, Automatisierung von Arbeitsabläufen sowie Fragen rund um Nachhaltigkeit und ESG.
Die Erwartungen an die Anbieter sind entsprechend hoch. Gefragt sind nicht nur fertige Produkte, sondern vor allem umfassende Dienstleistungen, die von einer sorgfältigen Bedarfsanalyse über individuelle Anpassungen bis hin zur kontinuierlichen Weiterentwicklung reichen. Unternehmen, die ihre Kunden eng begleiten, bieten nicht selten auch Workshops, Pilotprojekte oder Schulungen an – ein Ansatz, der besonders geschätzt wird. Mit 71 Prozent war der Wunsch nach persönlichen Workshops das am häufigsten genannte Bedürfnis. Ergänzend spielen auch Webinare, Online-Schulungen und dedizierter Support eine wichtige Rolle, um die digitale Kompetenz der Kunden nachhaltig zu stärken.
Diese starke Serviceorientierung zahlt sich aus: Anbieter, die Vertrauen aufbauen und als verlässliche Partner auftreten, können ihre Kundenbeziehungen vertiefen und sich dauerhaft als strategische Begleiter positionieren. Gerade in Zeiten, in denen die digitale Transformation mit Unsicherheiten und Risiken verbunden ist, entscheiden stabile Partnerschaften über Erfolg oder Misserfolg. Der Kunde wird damit endgültig zum zentralen Erfolgsfaktor in der Schweizer ICT-Branche.
Gefragt sind nicht nur fertige Produkte, sondern vor allem umfassende Dienstleistungen.
Arbeitsmarkt
Der Schweizer ICT-Arbeitsmarkt präsentiert sich 2025 in einer völlig neuen Konstellation. Der vielzitierte Fachkräftemangel ist Vergangenheit. Stattdessen sind laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) im August fast 4000 ICT-Fachkräfte ohne Stelle gewesen – ein Anstieg um 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Mit einer Arbeitslosenquote von 4,0 Prozent liegt die Branche deutlich über dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt von 2,8 Prozent. Besonders betroffen sind gut ausgebildete Spezialisten mit tertiärer Ausbildung. Damit deutet vieles auf einen strukturellen Wandel hin, der die Branche dauerhaft prägen dürfte.
Auch die ICT-Salärstudie 2025 bestätigt diese Entwicklung. Der Median der Jahreslöhne ist lediglich um 0,4 Prozent gestiegen – nach deutlich stärkeren Zuwächsen in den Vorjahren. Doch unter der Oberfläche zeigen sich markante Unterschiede. Junge Fachkräfte profitieren überdurchschnittlich: Unter-30-Jährige verzeichnen Lohnzuwächse von rund zwei Prozent, bei Junior Software Engineers liegt der Anstieg sogar bei sechs Prozent. Unternehmen investieren gezielt in Nachwuchskräfte, um sie langfristig zu binden und den zukünftigen Bedarf zu sichern.
Für erfahrene Fachkräfte dagegen stagniert die Lohnentwicklung. Der Medianlohn auf Senior-Level liegt bei 130’060 Franken und bewegt sich kaum. Auch auf Managementebene zeigt sich ein differenziertes Bild: Während Scrum Masters im unteren Management ihre Einkommen um mehr als vier Prozent steigern konnten, bleiben höhere Managementstufen deutlich volatiler. Neben dem reinen Salär gewinnen Benefits und Arbeitsbedingungen an strategischer Bedeutung. Flexible Arbeitsmodelle gehören inzwischen zum Standard: Über 94 Prozent der befragten Unternehmen ermöglichen mindestens einen Homeoffice-Tag pro Woche. Auch Themen wie Workation, unbezahlter Urlaub oder erweiterte Ferienregelungen rücken stärker in den Vordergrund. Viele Firmen setzen damit bewusst auf nicht-monetäre Anreize, um im Wettbewerb um Talente attraktiv zu bleiben.
Die paradoxe Situation aus steigender Arbeitslosigkeit und punktuell wachsenden Löhnen verdeutlicht, wie tiefgreifend der Wandel ist. Auf der einen Seite drängen junge, gut ausgebildete Talente auf den Markt und werden mit gezielten Gehaltserhöhungen gehalten. Auf der anderen Seite geraten ältere Arbeitnehmende ohne aktuelle Kompetenzen zunehmend unter Druck. Weiterbildung, Umschulungen und Soft Skills wie Selbstorganisation, Kommunikationsstärke oder Teamfähigkeit werden zur entscheidenden Voraussetzung für langfristige Beschäftigungsfähigkeit.
Einige Unternehmen reagieren bereits: Mit speziellen Rekrutierungskampagnen, die sich gezielt an über 55-Jährige richten, versuchen sie, Erfahrungslücken zu schliessen. Initiativen wie das swissICTProgramm «Booster» unterstützen Mitarbeitende zudem bei Standortbestimmungen und Weiterentwicklungen. Damit zeichnet sich ein neues Gleichgewicht ab: Wer bereit ist, sich den veränderten Anforderungen anzupassen, bleibt gefragt – wer verharrt, läuft Gefahr, den Anschluss zu verlieren.
Wer bereit ist, sich den veränderten Anforderungen anzupassen, bleibt gefragt.
Ausblick
Die Schweizer ICT-Branche steht 2025 an einem Scheideweg. Lange Jahre war sie geprägt von kontinuierlichem Wachstum, steigenden Löhnen und einem allgegenwärtigen Fachkräftemangel. Diese Zeiten sind vorbei. Stattdessen zeigt sich ein Arbeitsmarkt mit einem Überangebot an Fachkräften in bestimmten Segmenten, während gleichzeitig neue Skills rund um Künstliche Intelligenz, Cybersecurity, Cloud und Datenstrategien dringend benötigt werden. Der Wandel ist strukturell und verlangt von Unternehmen wie auch von Arbeitnehmenden ein hohes Mass an Anpassungsfähigkeit.
Für Unternehmen bedeutet das, dass klassische Rekrutierungsstrategien nicht mehr ausreichen. Nachwuchsförderung und gezielte Weiterbildungen rücken in den Vordergrund, um die Balance zwischen jungen Talenten und erfahrenen Kräften zu halten. Besonders wichtig wird es, ältere Mitarbeitende mit Umschulungen und neuen Aufgabenfeldern einzubinden, statt sie aus dem Markt zu drängen. Parallel dazu gilt es, nachhaltige IT-Strategien zu entwickeln, die ökologische und ökonomische Aspekte gleichermassen berücksichtigen. Green IT wird nicht nur regulatorisch gefordert, sondern zunehmend auch von Kunden und Investoren erwartet.
Für Fachkräfte eröffnet die Transformation Chancen und Risiken zugleich. Wer bereit ist, sich kontinuierlich weiterzubilden und sich in Zukunftsfeldern zu spezialisieren, wird auch in einem kompetitiveren Marktumfeld gefragt bleiben. Lebenslanges Lernen wird damit vom Schlagwort zur Überlebensstrategie. Gleichzeitig zeigt sich: Soft Skills wie Anpassungsfähigkeit, Kommunikationsstärke und Teamarbeit sind ebenso entscheidend wie technisches Know-how, um in agilen Organisationen erfolgreich zu sein.
Die kommenden Jahre werden für die Schweizer ICT-Branche entscheidend sein. Gelingt es, die neuen Technologien sinnvoll einzusetzen, starke Kundenbeziehungen aufzubauen und gleichzeitig die eigene Belegschaft flexibel zu entwickeln, kann die Branche ihre Schlüsselrolle für die Schweizer Wirtschaft behaupten – und sogar ausbauen. Wer hingegen am Alten festhält, läuft Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Die Zukunft gehört jenen Unternehmen und Fachkräften, die den Wandel nicht nur annehmen, sondern aktiv gestalten.