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Smarte Software fürs Business
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz in Geschäftsanwendungen und Business-Prozessen nimmt weiter zu.
Kennen Sie noch Karl Klammer? Ja, genau, die Büroklammer mit den grossen Augen, die Mitte der 1990er-Jahren von Microsoft entwickelt wurde und erstmals in Office 97 Einzug hielt. Karl Klammer ist vielleicht nicht gerade das beste Beispiel im Zusammenhang mit dem Thema künstliche Intelligenz (KI) – vor allem die berühmt-berüchtigte Frage nach dem Start von Word, dass man anscheinend einen Brief schreiben möchte und ob man Hilfe braucht, nervte mehr, als sie nutzte. Wirklich hilfreich war das Tool nicht. Aber: Karl Klammer war der erste Chatbot, der damals im grossen Stil ausgerollt wurde und bekannt war.
Und hier schliesst sich der Kreis zum Thema KI: Immer mehr Business-Software nutzt die Unterstützung von künstlicher Intelligenz. Und Chatbots sind hier mit Sicherheit das bekannteste Beispiel. So setzen immer mehr Unternehmen beim Kundenservice auf die Unterstützung von Robotern, um den Kunden schneller zu helfen und die menschlichen Mitarbeiter zu entlasten. Im Bereich des Customer Relationship Managements (CRM) ist die KI auch für Laien am ehesten sichtbar. Ein Beispiel ist der Chatbot Elisa der Lufthansa: Ob die Frage nach dem erlaubten Handgepäck oder das Umbuchen eines gestrichenen Fluges – der Kunde der Fluggesellschaft soll sein Anliegen selbstständig per Chatbot erledigen.
In Zukunft ein fester Bestandteil von Business Software
Doch ob CRM, Enterprise Resource Planning (ERP), Supply Chain Management (SCM) oder Business Intelligence (BI) – es gibt momentan kaum einen Bereich, in dem künstliche Intelligenz nicht für Umbrüche, Veränderungen und Optimierungen sorgt. Und dabei ist KI weit mehr als nur ein Buzzword, so Matthias Göhler, «sondern bereits ein zentraler Bestandteil unseres Alltags – auch wenn viele Unternehmen gerade erst beginnen, das enorme Potenzial von KI zu nutzen». Der CTO EMEA beim CRM-Spezialisten Zendesk ist sich sicher: «Die Technologie wird sich schon bald auf breiter Front durchsetzen» und werde eine noch zentralere Rolle in der Interaktion etwa zwischen einem Unternehmen und seinen Kunden spielen.
«KI kann Routineaufgaben automatisieren und Zeit fürs Wesentliche schaffen, ohne Kernaufgaben zu ersetzen. Mit dieser neu gewonnenen Effizienz können sich Teams auf strategisch wichtige Aufgaben fokussieren», wie die Spezialisten von Personio ergänzen, einem Anbieter von HR-Software.
Zum Beispiel im Bereich der Customer Experience (CX) liegt eine der grössten Chancen im Einsatz von künstlicher Intelligenz darin, einen Grossteil repetitiver Tätigkeiten zu automatisieren. Und hier kommen wieder die Chatbots ins Spiel: Ein Beispiel dafür ist die Rückgabe von Produkten, die mit einem Chatbot erledigt und damit voll automatisiert werden kann. Die Servicemitarbeiter wiederum haben stattdessen mehr Zeit, sich auf ihre Kernaufgaben und strategische Themen zu fokussieren.
«Unternehmen müssen ethische Aspekte in die Entwicklung von KI-Systemen einfliessen lassen, um unbeabsichtigte Auswirkungen zu erkennen, bevor sie in der realen Welt auftreten.»
Um die Produktivität der Servicemitarbeiter zu erhöhen, kann auch eine von KI automatisch erstellte Zusammenfassung zum Einsatz kommen, die es ermöglicht, Kundenprobleme zügiger und individueller zu lösen. Indem die Agenten einen schnellen Überblick über die bisherigen Probleme eines Kunden erhalten, müssen sie nicht mehr seitenlange Texte lesen. Laut Matthias Göhler sei KI folgerichtig derzeit eines der wichtigsten Themen, mit denen sie sich beschäftigen.
Ein weiteres Beispiel ist der Bereich Personal: Die Integration von KI in Human Resources bietet viele Chancen. Organisationen bekommen so die Möglichkeit, Prozesse wie Recruiting, Onboarding oder Talent- und Personalmanagement effizienter zu gestalten und Zeit einzusparen. Während Routineaufgaben automatisiert werden, kann KI die Personalabteilung dabei unterstützen, sich auf die wertschöpfenden Aufgaben zu konzentrieren. Entscheidend sei laut Personio, dass künstliche Intelligenz mit den richtigen Nutzern gepaart wird: HR-Teams, die KI als effektives Tool einsetzen, könnten eine sehr leistungsstarke Kombination darstellen und wertvolle Ergebnisse für ihr Unternehmen erzielen.
«Vereinfachung, Beschleunigung und Erweiterung des Lösungsraums oder der Kreativität», wie Thierry Buecheler den konkreten Nutzen von künstlicher Intelligenz in Business-Software zusammenfasst. «Unsere Kunden nutzen in grossem Masse bereits ‹künstliche Intelligenz›, manchmal explizit und manchmal implizit», so der Head of Business Value & Strategy EMEA bei Oracle. So setzten bereits viele Lösungen des Unternehmens, sowohl Applikationen als auch Plattformen, künstliche Intelligenz hinter den Kulissen ein. «KI-Services, darunter beispielsweise Data-Science- oder Machine-Learning-Produkte,erlauben es sowohl Power-Usern als auch relativen Anfängern, tiefer in das Thema einzutauchen – wenn gewünscht wiederum mithilfe künstlicher Intelligenz, die unter anderem geeignete Machine-Learning-Algorithmen vorschlägt.»
Eines ist klar: Wenn nicht ohnehin bereits geschehen, wird KI in Zukunft ein fester Bestandteil von Business-Software wie ERP oder CRM sein. «Künstliche Intelligenz beschreibt eine grosse Spannweite von Lösungen und Technologien», erklärt Buecheler. Viele Business-Software-Lösungen würden schon jetzt mit viel Machine Learning operieren, beispielsweise in ERP-Systemen für die Bildung von Zukunftsszenarien, Forecasts oder im CRM-Bereich zur Generierung relevanter Leads.
Auch ChatGPT, der seit einigen Monaten grosse Star der KI, findet so langsam Einzug in die Business-Software. So hat zum Beispiel Salesforce seine KI namens Einstein entsprechend erweitert: Einstein GPT kombiniert die Salesforce-eigenen KI-Modelle mit ChatGPT oder weiteren generativen KI-Technologien und verbindet sie mit Echtzeitdaten aus der Salesforce Data Cloud, die sämtliche Kundendaten eines Unternehmens speichert. Damit lassen sich dann Befehle in natürlicher Sprache direkt auf die Daten im CRM anwenden.
Umsetzung von KI-Projekten
Wenn ein Unternehmen seine Business-Software «intelligent» machen möchte, dann gelten für die Realisierung eines solchen KI-Projekts grundsätzlich erst einmal dieselben Faktoren, die für die Einführung aller IT-Systeme gelten. Doch bei KI-Projekten sind einige spezielle Indikatoren wichtig. Zunächst muss ein Grundvertrauen zu Datenquellen und Algorithmen geschaffen werden. «Und dann muss ein gemeinsames Verständnis von Daten (Semantik) sowohl zwischen Systemen oder Datenbanken und Menschen als auch zwischen Menschen aus verschiedenen Abteilungen und Partnerorganisationen etabliert werden», erklärt Thierry Buecheler von Oracle. Zudem gewinne
der Kontext an Bedeutung. «Dieser muss bereitgestellt, erklärt und verstanden werden. Zu guter Letzt ist die Möglichkeit der Exploration und Verfeinerung von Ergebnissen sowie die Actionability durch handlungsorientierte Vorschläge zur Unterstützung von Businessrelevanten Entscheidungen relevant.» Doch der vielleicht wichtigste Faktor ist oft leichter gesagt als getan: Unternehmen müssen eine klare Strategie verfolgen, wenn sie KI-basierte Lösungen in ihre Unternehmens-Software integrieren. Statt blind zu investieren, sollten Unternehmen überlegen, wo zum Beispiel im Servicebereich die Automatisierung durch künstliche Intelligenz den grössten Mehrwert bringt. Geht es darum, die Effizienz zu steigern? Oder soll die Technologie dabei helfen, Kundenservice auch ausserhalb der Geschäftszeiten anbieten zu können? Der Einsatz von künstlicher Intelligenz sollte von den Unternehmenszielen abhängig sein, die strategische Entscheider im Vorfeld definieren müssen.
Ein weiterer wichtiger, nicht zu unterschätzender Faktor vor der Umsetzung eines KI-Projekts sind entsprechende Tests im Vorfeld. «Derzeit ist zu beobachten, dass sich viele Unternehmen vom Hype um ChatGPT haben mitreissen lassen», berichtet Matthias Göhler von Zendesk. «Wenn sie die Technologie aber nicht mit Bedacht einsetzen, sondern einfach so schnell wie möglich eine API implementieren, kann das enorme Kosten verursachen. » Schnelles Handeln sei zwar wichtig, aber ohne die richtigen Schritte zur Absicherung könne eine blinde Investition schnell nach hinten losgehen. «Ein wichtiges Stichwort hier ist Datensicherheit», unterstreicht er. Gerade wenn Anwenderinnen und Anwender erwarten, dass
ihre Daten in Europa bleiben, komme nicht jede Lösung infrage. Eine sorgfältige Abschätzung der Risiken sei deshalb unerlässlich.
Das alles klingt kompliziert – und ist es in vielen Fällen auch. Dennoch ist KI in Business-Software ein Thema, das nicht nur für grosse Unternehmen relevant ist, sondern auch KMU einen deutlichen Mehrwert bietet. Hier findet auch in kleineren Unternehmen gerade ein Umdenken statt. ChatGPT hat es geschafft, Sprachmodelle in den Mainstream-Diskurs zu bringen und die Technologie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. «Hinzu kommt, dass die Implementierung von KI-basierten Lösungen durch sinkende Trainingskosten und No-Code- beziehungsweise Low-Code-Lösungen kostengünstiger und einfacher wird», ergänzt Göhler. «Von dieser Entwicklung hin zu öffentlichen KIs profitieren vor allem KMU.» Denn um langfristig mit grossen Unternehmen mithalten zu können, seien Unternehmen jeder Grösse gefordert, die Technologie für sich nutzbar zu machen. Kleine und mittlere Unternehmen, also KMU, müssen die KI-Grundmodelle auch nicht selbst rechnen, trainieren oder verwalten. «Anspruchsvollere Angebote werden inklusive aktueller Large Language Models (LLMs) als Services angeboten, können somit an die Grösse und finanziellen Fähigkeiten angepasst genutzt werden», betont Buecheler. «Deshalb», so der Head of Business Value & Strategy EMEA bei Oracle, «ist das Thema für KMU relevant und möglich.»
«KI ist weit mehr als nur ein Buzzword, sondern bereits ein zentraler Bestandteil unseres Alltags – auch wenn viele Unternehmen gerade erst beginnen, das enorme Potenzial zu nutzen.»
Künstliche Intelligenz und Ethik
- Aktuelle KI-Systeme werden immer leistungsfähiger – und damit steigt aber auch der Bedarf an Regeln für einen verantwortungsvollen Umgang damit, Stichwort KI-Ethik. Mit dem Aufkommen von Technologien wie Big Data gehen immer mehr Unternehmen dazu über, ihre Organisation durch Automatisierung und datengesteuerte Entscheidungsfindung voranzubringen. Die Absicht dahinter ist natürlich das Verbessern der Geschäftsergebnisse. Doch nicht immer ist so ganz klar, wie eine KI agiert und wie sie zu ihren Entscheidungen kommt. Das Ziel daher: Eine ethische und sozial verträgliche KI in Unternehmen, also quasi eine künstliche Intelligenz, die sich am Menschen und an seinen Bedürfnissen orientiert.
Laut den Expertinnen und Experten von Personio sollten sich Unternehmen und Organisationen, die in ihrer Business-Software auf KI setzen wollen, folgender drei Punkte bewusst sein:
- Bereits der grundsätzliche Umgang mit KI ist risikobehaftet: Für dieses KI-Risikobewusstsein muss das,was die KI macht, auch erklärt und interpretiert werden können. Dafür bedarf es im Unternehmen eines tiefergehenden Spezialwissens zu zentralen Punkten wie Modelle, Algorithmen und Clusterbildung.
- Gefahr im Umgang mit vertraulichen Daten: Ein Hauptrisiko bei KI-basierten Technologien wie ChatGPT ist der Umgang mit vertraulichen Daten. Viele Firmenbereiche wie HR arbeiten täglich mit vertraulichen, personenbezogenen Daten. Doch korrekte Daten sind entscheidend für eine effektive KI-Implementierung. Ebenso muss sichergestellt werden, dass der menschliche Kontakt zu den Mitarbeitenden behalten wird.
- Ziele einer KI: Bevor KI-Technologien eingesetzt werden, sollten die eigenen Ziele und Massstäbe dafür nicht nur definiert, sondern auch messbar gemacht werden. Hierfür bieten sich unternehmensübergreifende ESMPlattformen (Enterprise Service Management) an. Bei Einführung und Betrieb von KI-Technologien kann darüber die gesamte aufgebaute KI-Wertschöpfungskette technologisch überwacht und beobachtet werden.
«Die Priorisierung von ethischer und verantwortungsvollerKI ist eine unternehmensweite Aufgabe», betont Frank Engelhardt, Chief Transformation Strategist Central Europe bei Salesforce. Unternehmen müssten ethische Aspekte in die Entwicklung von KI-Systemen einfliessen lassen, «um unbeabsichtigte Auswirkungen zu erkennen, bevor sie in der realen Welt auftreten». Dafür richtete zum Beispiel Salesforce bereits 2018 das Office of Ethical and Humane Use ein, um Fragen und Bedenken im Zusammenhang mit der Nutzung von Technologie zu klären. Frank Engelhardt zufolge sei es wichtig, bewusst ethische Leitplanken und Produktvorgaben in die Technologie zu integrieren. Damit helfe man Kunden und deren Endnutzern dabei, Inklusion, Datenethik und Datenschutz standardmässig zu priorisieren. «Sie werden dabei unterstützt, die Technologie auf ethische und verantwortungsvolle Weise anzupassen – und die Auswirkungen der von ihnen getroffenen Entscheidungen zu verstehen.» Generative KI habe das Potenzial, die Art und Weise, wie wir leben und arbeiten, grundlegend zu verändern, und werde selbst die innovativsten Unternehmen in den kommenden Jahren vor neue Herausforderungen stellen. Es reiche deshalb nicht aus, generative KI bereitzustellen, «Nutzer müssen auch unterstützt werden, diese transformative Technologie verantwortungsvoll zu nutzen».
Fazit und Ausblick
KI in Business-Software wird über kurz oder lang zum Standard werden. Angst davor, dass es irgendwann kaum noch Mitarbeiter gibt und Kunden nur noch mit autonomer Software kommunizieren, braucht man jedoch nicht zu haben. «Dass der Mensch nicht mehr im Loop sein wird, ist äusserst unwahrscheinlich», so die Prognose von Thierry Buecheler von Oracle. «Wir tragen auch bei einer sehr gut entwickelten KI sogenannte ‹Heuristiken› bei, die Analysen schneller und besser machen.» Auch unbeschränkter Kontext und finale Entscheidungsfähigkeit sei ihm zufolge eher eine Stärke des Menschen gegenüber einer Software, auch wenn diese intelligent scheint.
Auch im Kundenservice wird der menschliche Ansprechpartner auf absehbare Zeit nicht abgeschafft. Laut dem Zendesk CX Trends Report 2023 sind zwar fast zwei Drittel (65 %) der weltweit befragten CX-Verantwortlichen der Meinung, dass KI und Chatbots immer natürlicher und menschenähnlicher werden. Doch Matthias Göhler ist fest davon überzeugt, «dass eine autonome Software den menschlichen Kontakt niemals vollständig ersetzen kann». In bestimmten Situationen, gerade bei verärgerten Kunden, sei menschliche Empathie unersetzlich.
Übrigens: Auch wenn Karl Klammer das erste weitbekannte Beispiel für einen Chatbot war – so sind Chatbots natürlich keine Erfindung des Software-Riesen Microsoft. Bereits Mitte der 1960er-Jahre entwickelte der Informatiker Joseph Weizenbaum am US-amerikanischen Massachusetts Institute of Technology das Computerprogramm Eliza. Die Software ermöglichte eine Kommunikation zwischen Mensch und Computer in natürlicher Sprache. Dazu simulierte sie mit Skripten verschiedene Gesprächspartner. Weiter nutzte Eliza ein strukturiertes Wörterbuch und kannte zahlreiche Phrasen zu verschiedenen Themengebieten. Was damals eine Sensation war, wirkt heute nur noch wie ein Kinderspiel. Dabei stehen ChatGPT & Co. auch erst noch am Anfang ihrer Entwicklung.