Employee Experience: eine strategische Priorität in der neuen Arbeitswelt

Nr. 24-5 aktualisiert 2024-10-25 Lesedauer: min

Employee Experience: eine strategische Priorität in der neuen Arbeitswelt

Im Zeitalter von New Work, in dem hybride Modelle und digitale Transformation den Arbeitsplatz neu definieren, sind Employee Experience (EX) und Wohlbefinden zu kritischen Faktoren für den Unternehmenserfolg geworden. Der Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit, dem Wohlbefinden der Mitarbeiter und der allgemeinen Produktivität ist deutlicher denn je. Unternehmen haben erkannt, dass eine positive Employee Experience über das Gehalt hinausgeht und sich auf das mentale, emotionale und körperliche Wohlbefinden erstreckt. Dieser Wandel wird von der wachsenden Erkenntnis angetrieben, dass zufriedene, gesunde Mitarbeiter engagierter, innovativer und loyaler sind. Dieser Artikel beleuchtet die sich entwickelnde Bedeutung von EX und Wohlbefinden und berücksichtigt dabei die Perspektiven der Mitarbeiter und Arbeitgeber.

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Was ist Employee Experience (EX)?

Employee Experience umfasst jede Interaktion, die ein Mitarbeiter mit seinem Arbeitgeber hat, von der Einstellung bis zum Austritt. Sie umfasst den physischen Arbeitsplatz, die zur Verfügung gestellten digitalen Tools, die Unternehmenskultur, den Führungsstil und den Ansatz des Unternehmens in Bezug auf das Wohlbefinden. Eine positive EX kann das Engagement und die Produktivität der Mitarbeiter steigern, die Fluktuation reduzieren und ein Unternehmen für neue Talente attraktiver machen. Eine aktuelle Umfrage von Gartner ergab, dass 82 % der HR-Leiter in Europa, darunter auch in der Schweiz, EX als oberste Priorität für 2024 identifizierten. Für Unternehmen liegt die Herausforderung darin, ein Erlebnis zu schaffen, das den unterschiedlichen Bedürfnissen der Mitarbeiter gerecht wird, insbesondere in einer hybriden Arbeitsumgebung.

Die Rolle des Wohlbefindens in der EX

Das Wohlbefinden der Mitarbeiter ist ein zentraler Bestandteil der EX und umfasst körperliche, mentale, emotionale und finanzielle Gesundheit. Ein Fokus auf Wohlbefinden geht über das Angebot von Fitnessstudio-Mitgliedschaften oder gesunden Snacks hinaus; es geht darum, eine Umgebung zu schaffen, in der sich Mitarbeiter wertgeschätzt, unterstützt und ausgeglichen fühlen. Dieser ganzheitliche Ansatz ist besonders im Kontext der hybriden Arbeit relevant, bei der die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben verschwimmen können. In einer Studie der Universität Zürich gaben 67 % der in hybriden Umgebungen arbeitenden Mitarbeiter an, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben eine erhebliche Herausforderung darstellt. Doch jene, die das Gefühl hatten, dass ihr Unternehmen ihr Wohlbefinden unterstützt, berichteten von höherer Arbeitszufriedenheit und Produktivität. Diese Korrelation unterstreicht, warum Wohlbefinden zu einem strategischen Fokus für Unternehmen geworden ist, die eine florierende Belegschaft aufbauen möchten.

Ein Fokus auf Wohlbefinden geht über das Angebot von Fitnessstudio-Mitgliedschaften oder gesunden Snacks hinaus; es geht darum, eine Umgebung zu schaffen, in der sich Mitarbeiter wertgeschätzt, unterstützt und ausgeglichen fühlen.

Perspektive der Mitarbeitenden: Was wünschen sich die Angestellten?

Für Mitarbeiter bedeutet eine positive Erfahrung, dass sie die Tools, die Flexibilität und die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, um ihre Aufgaben effektiv zu erfüllen. Die wichtigsten sind einige zentrale Elemente, die Mitarbeitende auf ihrer Wunschliste haben:

  • Flexibilität und Autonomie: Der Übergang zur Fern- und hybriden Arbeit hat den Wunsch der Mitarbeiter nach Flexibilität verstärkt. Eine Umfrage von PwC ergab, dass 76 % der Beschäftigten in Europa flexible Arbeitsmodelle als wichtigen Bestandteil ihrer Gesamtzufriedenheit betrachten. In der Schweiz ist dieser Wert mit 82 % sogar noch höher, was die starke Betonung der Work-Life-Balance in der Schweizer Kultur widerspiegelt. Mitarbeiter schätzen die Autonomie, ihre Zeit selbst einteilen zu können, und sind der Meinung, dass ihnen Flexibilität eine bessere Balance zwischen Beruf und Privatleben ermöglicht.
  • Unterstützung der psychischen Gesundheit: Mit dem Anstieg der Fernarbeit ist die psychische Gesundheit zu einem grossen Anliegen geworden. Laut einem Bericht der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz leiden 48 % der europäischen Mitarbeiter unter erhöhtem Stress durch Isolation und verschwimmende Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit. Mitarbeiter suchen nach Arbeitgebern, die diese Herausforderungen anerkennen und Unterstützung durch Zugang zu psychischen Gesundheitsressourcen, Beratungsdiensten und stressreduzierenden Initiativen wie «No-Meeting-Tagen» bieten.
  • Sinnhaftigkeit und bedeutungsvolle Arbeit: Moderne Mitarbeiter, insbesondere Millennials und die Generation Z, suchen zunehmend nach einem Sinn in ihrer Arbeit. Sie wollen das Gefühl haben, dass ihre Beiträge wichtig sind und mit der Mission und den Werten des Unternehmens übereinstimmen. Eine Umfrage von Deloitte aus dem Jahr 2023 ergab, dass 59 % der Mitarbeiter eher in einem Unternehmen bleiben, das ihnen einen Sinn vermittelt. In der Schweiz, wo viele Unternehmen stark auf Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung setzen, kann die Ausrichtung der Unternehmensziele an den Werten der Mitarbeiter die EX erheblich verbessern.
  • Wachstums- und Entwicklungsmöglichkeiten: Berufliches Wachstum ist ein weiterer entscheidender Aspekt einer positiven EX. Mitarbeiter möchten Zugang zu Schulungen, Mentoring und Aufstiegsmöglichkeiten. Der Bedarf an Weiterbildung ist gewachsen, da die digitale Transformation die Jobprofile verändert. Eine Umfrage von LinkedIn zeigte, dass 74 % der Schweizer Mitarbeiter an Schulungsprogrammen interessiert sind, die ihnen helfen, sich an neue Technologien anzupassen, was die Bedeutung des kontinuierlichen Lernens am Arbeitsplatz unterstreicht.
  • Perspektive der Arbeitgeber: Wie passen sich Unternehmen an? Aus der Sicht der Arbeitgeber ist die Investition in EX und Wohlbefinden nicht nur eine Massnahme zur Schaffung eines angenehmen Arbeitsumfelds, sondern eine strategische Entscheidung, um Engagement, Produktivität und Mitarbeiterbindung zu fördern.

Auch Unternehmen haben diesbezüglich ihre Prioritäten:

  • Ganzheitliche Wohlfühlprogramme: Führende Unternehmen in der Schweiz und in ganz Europa erweitern ihre Wohlfühlprogramme, um mentale, emotionale und finanzielle Gesundheit zu berücksichtigen. So hat die Zurich Versicherung ein umfassendes Wohlfühlprogramm eingeführt, das Workshops zur psychischen Gesundheit, Stressmanagement-Ressourcen und Unterstützung bei der Finanzplanung umfasst. Dieser Ansatz unterstützt nicht nur die Mitarbeiter, sondern reduziert auch Fehlzeiten und steigert das Engagement.
  • Hybride Arbeitsrichtlinien: In der Erkenntnis, dass Flexibilität wichtig ist, haben Unternehmen wie ABB und Novartis hybride Arbeitsmodelle eingeführt, die es den Mitarbeitern ermöglichen, ihren Arbeitsort je nach Rolle und Vorlieben zu wählen. Diese Richtlinien sind darauf ausgelegt, sowohl die individuelle Produktivität als auch die Teamzusammenarbeit zu unterstützen. ABBs „Smart Working“-Richtlinie umfasst Richtlinien für das Remote-Arbeiten und Schulungen für Führungskräfte, um verteilte Teams zu unterstützen und sicherzustellen, dass Flexibilität nicht auf Kosten der Produktivität oder des Teamzusammenhalts geht.
  • Technologie zur Verbesserung der EX: Arbeitgeber investieren in digitale Tools, die die Employee Experience verbessern. Dazu gehören Plattformen für Zusammenarbeit, Feedback und Mitarbeiterengagement. Tools wie Microsoft Viva oder Slacks Integration mit Wohlfühl-Apps sind Beispiele dafür, wie Technologie ein nahtloses Arbeitserlebnis unterstützen kann. Digitale Tools helfen Mitarbeitern, mit ihren Teams in Kontakt zu bleiben, auf Ressourcen zuzugreifen und Feedback zu geben, wodurch sie sich stärker eingebunden und gehört fühlen.
  • Schaffung einer Kultur der Anerkennung und Inklusion: Arbeitgeber konzentrieren sich darauf, eine Kultur zu fördern, in der sich Mitarbeiter wertgeschätzt und einbezogen fühlen. Initiativen wie Anerkennungsprogramme, inklusives Führungstraining und regelmässige Feedback-Gespräche sind weit verbreitet. In Europa berichteten 65 % der Unternehmen in einer McKinsey-Umfrage aus dem Jahr 2023, dass die Förderung einer inklusiven Kultur Priorität hat. Für Schweizer Arbeitgeber, bei denen multikulturelle Teams häufig sind, ist die Schaffung eines Zugehörigkeitsgefühls entscheidend, um Talente zu binden.

Die Auswirkungen von EX und Wohlbefinden auf Geschäftsergebnisse

Die Investition in EX und Wohlbefinden ist nicht nur ein «Nice-to-Have»; sie hat direkte Auswirkungen auf die Geschäftsergebnisse. Studien zeigen, dass Unternehmen mit hohem Mitarbeiterengagement um 21 % profitabler sind. Eine Gallup-Umfrage aus dem Jahr 2023 ergab, dass engagierte Mitarbeiter 17 % produktiver und 41 % weniger anfällig für Burnout sind. In der Schweiz berichten Unternehmen, die in EX hoch bewertet werden, wie Roche und Swisscom, konstant von geringeren Fluktuationsraten und höheren Kundenzufriedenheitswerten.

Fallstudie: Swiss Re’s Ansatz für EX und Wohlbefinden

Swiss Re, ein führendes globales Rückversicherungsunternehmen mit Sitz in Zürich, hat EX und Wohlbefinden zu einem zentralen Bestandteil seiner Unternehmensstrategie gemacht. Das Unternehmen bietet eine «flex+ Initiative», die es den Mitarbeitern ermöglicht, von jedem Ort innerhalb der Schweiz aus zu arbeiten und flexible Arbeitszeiten zu nutzen. Swiss Re bietet auch umfangreiche Ressourcen zur psychischen Gesundheit an, einschliesslich einer Partnerschaft mit einem Online-Beratungsdienst, der den Mitarbeitern vertrauliche Unterstützung bietet. Der Fokus von Swiss Re auf Wohlbefinden hat sich in greifbaren Vorteilen niedergeschlagen: Die Engagement-Werte der Mitarbeiter stiegen 2023 um 12 %, und das Unternehmen verzeichnete einen Rückgang der Krankheitsausfälle um 9 %. Dieser Ansatz hat Swiss Re in einem wettbewerbsintensiven Arbeitsmarkt als bevorzugten Arbeitgeber positioniert.

Herausforderungen bei der Umsetzung von EX- und Wohlfühlprogrammen

Trotz der klaren Vorteile ist es nicht ohne Herausforderungen, eine positive EX zu schaffen und das Wohlbefinden zu unterstützen:

  • Messung der Wirkung: Die Quantifizierung der Rendite (ROI) für Wohlfühlinitiativen kann schwierig sein. Arbeitgeber kämpfen damit, spezifische Programme direkt mit Verbesserungen in Produktivität oder Mitarbeiterbindung in Verbindung zu bringen, was es schwer macht, die fortlaufende Investition zu rechtfertigen.
  • Aufrechterhaltung der Verbindung in hybriden Teams: Ein Gemeinschaftsgefühl und Zugehörigkeit aufzubauen ist schwieriger, wenn Teams verteilt sind. Arbeitgeber müssen neue Wege finden, um soziale Verbindungen zu fördern, wie etwa virtuelle Teambuilding-Aktivitäten und persönliche Treffen, um eine kohäsive Kultur aufrechtzuerhalten.
  • Berücksichtigung unterschiedlicher Bedürfnisse: Nicht alle Mitarbeiter haben die gleichen Bedürfnisse oder Präferenzen. Während einige flexible Arbeitszeiten schätzen, legen andere mehr Wert auf den Zugang zu Ressourcen zur psychischen Gesundheit. Arbeitgeber müssen einen ausgewogenen Ansatz finden, der unterschiedliche Erwartungen berücksichtigt, ohne ihre EX-Strategien zu verkomplizieren.

Die Zukunft von Employee Experience und Wohlbefinden

Während sich die Arbeit weiterentwickelt, wird der Fokus auf EX und Wohlbefinden voraussichtlich zunehmen. Neue Technologien wie KI-gestützte Feedback-Plattformen und personalisierte Wohlfühl-Apps werden eine grössere Rolle in der Gestaltung des zukünftigen Arbeitsplatzes spielen. Beispielsweise können Predictive Analytics Arbeitgeber dabei unterstützen, frühe Anzeichen von Burnout zu erkennen und proaktive Maßnahmen zu ergreifen. In der Schweiz und in Europa, wo der Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig bleibt, werden Unternehmen, die EX priorisieren, einen strategischen Vorteil haben. Die Fähigkeit, qualifizierte Fachkräfte anzuziehen und zu binden, hängt zunehmend davon ab, ob sie eine sinnvolle, unterstützende und flexible Arbeitsumgebung bieten können.

Employee Experience und Wohlbefinden sind längst keine reinen HR-Schlagworte mehr; sie sind strategische Imperative in der neuen Arbeitswelt. Für Mitarbeiter bedeutet eine positive Erfahrung Flexibilität, Unterstützung und Sinnhaftigkeit. Für Arbeitgeber bedeutet sie höheres Engagement, geringere Fluktuation und eine innovativere Belegschaft. Indem sie ihre Strategien an die sich wandelnden Bedürfnisse ihrer Belegschaft anpassen, können Unternehmen EX und Wohlbefinden zu einem Treiber für langfristigen Erfolg machen. Da die Grenzen zwischen Arbeit und Leben weiter verschwimmen, werden die Unternehmen, die die ganzheitlichen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter verstehen und in sie investieren, am besten aufgestellt sein, um in der Zukunft der Arbeit erfolgreich zu sein.

Christian Bühlmann

Chefredaktor Computerworld

Christian Bühlmann ist Chefredaktor der Computerworld und engagiert sich in der IT-Branche seit mehr als 30 Jahren als Fachautor, Berater und Projektleiter mit den Herausforderungen von Unternehmen in der digitalen Welt.